Warum ich Clowns hasse
„Gleich geht es los! Wir fahren in den Zirkus! Gleich geht es los!“, brüllte Johnny und rannte quer durch die Küche, vorbei an seiner Mutter, die genervt die Augen verdrehte.
„Pass bitte auf, Schatz.“
„Hör auf deine Mutter, Großer!“, murmelte sein Vater hinterher, der sich in die Zeitung vertieft hatte. Nur wenige Sekunden später hörten sie erneut die raschen Schritte ihres Sohnes, doch diesmal war etwas anders. Johnny sah sich hektisch um und rannte aufgeregt hin und her. Er krabbelte über den Teppich, blickte unter jedes Möbelstück, warf Kissen umher und murmelte dabei stets vor sich hin „Wo bist du? Wob bist du?“
Nach einer Weile blieb er stehen und sah seine Eltern vorwurfsvoll an. „Wo ist er? Mom, Dad!? Wo ist er?“, wimmerte er und Tränen flossen in Strömen über das kleine Gesicht. Seine Eltern sahen sich verwundert an, zuckten beide die Schultern und riefen fast gleichzeitig: „Wer, Johnny?!“.
„Na TEDDY!“, schrie Johnny ihnen entgeistert entgegen und sein Gesicht strahlte Entsetzen und Unglaube aus.
Teddy, ein brauner Stoffbär, war Johnnys wertvollster Besitz. Während seine Mutter versuchte ihn zu beruhigen, schritt sein Vater zielsicher in Johnnys Zimmer und ging es mit prüfendem Blick auf und ab. Nach wenigen Sekunden ließ er sich auf die Knie fallen, um dann unter das Bett schauen zu können. Noch während er auf allen vieren und mit dem Kopf seitlich auf dem Boden dalag, breitete sich ein wissendes Grinsen über sein Gesicht. Johnny hatte sich inzwischen zu ihm gesellt schrie aber immer noch wie am Spieß. Um in diesem Geräuschpegel wahrgenommen werden zu können brüllte sein Vater daher: „Johnny, ich hab ihn gefunden! Sieh doch, wo er sich versteckt hat!“. Mit diesen Worten zeigte er mit ausgestrecktem Zeigefinger auf das braune Stofftier, das ihm fast schon wehmütig aus der Dunkelheit unter dem Bett entgegen starrte. Sofort verstummte Johnny, ließ sich zu Boden fallen und robbte in einer unglaublichen Geschwindigkeit unter das Bett. Kurz danach tauchte er wieder auf, legte ein zufriedenes Lächeln auf und drückte Teddy ganz fest an seine Brust. „Da bist du ja Teddy.“, flüsterte er und schritt, seine Eltern missachtend, aus seinem Zimmer. Schmunzeln sahen sich die beiden an, bevor sie sich erhoben und ebenfalls das Zimmer verließen. „Er hängt wirklich sehr an diesem Bär“, stellte Johnnys Mom nachdenklich fest. „Na los, machen wir uns fertig. Bevor unser Sohnemann noch eine Schneise in den Boden rennt“, fügte sie dann lachend hinzu.
Schon von weitem sahen sie Johnny fertig angezogen vor der Haustür stehen und ungeduldig auf und ab wippen. Seinen Teddy hatte er in seine Jacke gestopft und ihm seine Mütze aufgesetzt. „Damit ihm nicht kalt wird“, warf Johnny liebevoll seinen schmunzelnden Eltern entgegen. „Ich weiß, du meinst es nur gut, aber ich bin der Meinung, dass Teddy lieber im warmen Haus bleiben sollte. Nicht, dass er nochmal verloren geht.“, sagte seiner Mutter ruhig, während sie den Teddybär langsam aus der geschlossenen Jacke befreite. „Du kannst ihm nachher alles erzählen.“ Mit diesem Kompromiss gab sich Johnny sogar zufrieden. Während er seinen Teddy in sein Bett legte zogen sich seine Eltern ebenfalls an und warteten in der offenen Tür auf ihn. Schon rannte Johnny an seinen Eltern vorbei, um vor dem Auto zu warten. Beinahe hätte er dabei den Kürbis, den er ein paar Tage vorher für Halloween mit seinen Eltern besorgt hatte, umgeworfen. Er hatte ihn selbst ein gruseliges Gesicht schnitzen und sogar den Platz aussuchen dürfen, wo er bis Ende des Monats stehen sollte.
Als die Familie endlich im Auto saß und sich zu dem naheliegenden Zirkusplatz aufmachte, versuchte Johnnys Vater die Euphorie seines Sohnes etwas zu bremsen, indem er ihn fragte, als was er an Halloween gehen wollte. Es war das erste Mal, dass Johnny mit seinen Freunden alleine losziehen durfte, um ganz nach dem Brauch Trick-or-Treat auf Jagd nach Süßigkeiten gehen zu können. Seit Wochen hatte Johnny, neben dem Zirkus, kein anderes Thema gehabt. Das einzige, was fehlte war ein Kostüm. „Ich weiß es noch nicht, Dad. Vielleicht als…“, antwortete Johnny ruhig, „WIR SIND DA!“, brüllte er auf einmal, als sie den Zirkusplatz erreicht hatten und über einen Schotterweg zu den provisorischen Parkplätzen fuhren. Das Auto kam nicht einmal ganz zum Stehen, da hatte sich Johnny schon abgeschnallt und die Tür aufgerissen. „Warte Schatz!“, schrie seine Mutter schockiert und wandte sich um. Johnnys Vater parkte den Wagen ruhig und überließ das Einfangen seines Sohnes seiner Frau.
Nachdem sie Tickets gekauft und etwas Popcorn besorgt hatten, machte sich die dreiköpfige Familie auf in das große Zirkuszelt, das mit den Minuten immer voller wurde. Nur mit Mühe kamen sie an ihre Plätze, die zu Johnnys Freude in der zweiten Reihe, also nahe an der Manege lagen. Seine Eltern hatten Johnny in ihre Mitte genommen, wo er unruhig auf dem Sitz hin und her rutschte, während er sich das Popcorn in den Mund schaufelte. Im Sekundentakt fragte er in die Runde, wann es denn endlich losgehen würde. Den vertröstenden Hinweis auf Geduld schluckte er mit einer weiteren Hand voll Popcorn herunter.
Dann endlich ertönte die bekannte Melodie vom Zirkus und augenblicklich sank der Geräuschpegel auf ein Minimum. Wie gebannt hielt Johnny auf einmal inne und starrte in den Lichtkegel, der sich in mitten der Manege gebildet hatte. Aus der Dunkelheit hinter dem Vorhang trat der Zirkusdirektor und trat in das Licht. Seine Rede schloss er mit dem Satz „Und nun, meine Damen und Herren, will ich Sie nicht länger auf die Folter spannen!“ Damit trat er wieder aus dem Licht, das sich nach wenigen Sekunden Richtung Vorhang bewegte und so den Beginn der Vorstellung einläutete. Zuerst hatten riesige Elefanten ihren großen Moment, danach versetzten Artisten die Zuschauer in atemloses Staunen. Beim Auftritt des Löwendompteurs klammerte sich Johnny an den Arm seiner Mutter, war aber trotzdem erstaunt und fasziniert zugleich. Dann kam endlich der Moment, auf den Johnny so lange hin gefiebert hatte: Schon an der Musik erkannte er, dass sich seine Geduld nun ausgezahlt hatte. Wieder packte er seine Mutter am Arm, doch diesmal vor Freude. Gebannt starrte er auf den Vorhang, aus dem sogleich zwei Clowns traten und in die Menge lachten. Mithilfe von Mikrofonen stellten sie sich vor: Der kleinere von ihnen war Tipsy und der größere Chewie. Sie führten ein paar Slapstick Nummern auf, was Johnny Tränen vor Lachen in die Augen trieb. Seine Eltern waren weniger belustigt, erfreuten sich aber an dem Vergnügen ihres Sohnes. Nachdem Tipsy sich allerlei Schabernack von Chewie hatte gefallen lassen, stellten sich beide in der Mitte der Manege auf. Das beim Nachfolgenden wieder Tipsy das Opfer spielen musste, war nach den Worten seines Kollegen mehr als offensichtlich: „Hast du Lust ein kleines Spiel zu spielen?“, fragte er ihn unschuldig und wandte sich zu ihm. Auf den neugierigen Blick von Tipsy sprach er weiter: „Also, ich habe hier einen Trichter“, erklärte er und zog diesen aus seiner weiten Hose, „Diesen steckst du dir hinten in deine Hose. Danach musst du diese Münze auf deine Stirn legen. Wenn ich LOS sage zählst du bis drei und versuchst dann die Münze von deiner Stirn hinten in den Trichter fallen zu lassen. OK?“. Selbstbewusst streckte Tipsy seinen Daumen zur Bestätigung nach oben, nahm die zwei Gegenstände entgegen und positionierte sie an den gewünschten Orten. Als er so dastand, mit dem Gesicht nach oben, die Münze auf seinem Kopf balancierend trat sein Kumpan langsam aus der Manege und verschwand hinter dem Vorhang. Durch sein Mikro war er aber weiterhin gut zu verstehen. „Du darfst erst zählen, wenn ich LOS sage, vergiss das nicht!“, sprach er.
Johnny tastete mit seinen Augen jeden Winkel des Zeltes ab, doch er konnte Chewie nicht sehen. Doch plötzlich spürte er eine große Hand auf seiner Schulter. „Möchtest du mein Sidekick sein, kleiner Mann?“, raunte eine tiefe Stimme in sein Ohr. Langsam drehte Johnny den Kopf und sah zu Chewie auf, der noch bis eben hinter dem Vorhang verschwunden gewesen war. Erschrocken und freudig zugleich sah Johnny seine Eltern flehend an, die ihm schmunzelnd das OK gaben. „Wie heißt du denn?“, fragte Chewie. „Johnny!“, rief er selbstbewusst dem großen Clown entgegen. Gemeinsam liefen sie rasch durch die Menge hinter den Vorhang, wo Chewie Johnny Anweisungen gab. Er konnte kaum etwas erkennen, als er Chewie gegenüber stand. Von nahem sah er noch größer aus. In der Dunkelheit erkannte er außerdem schemenhaft die weite gestreifte Hose, die großen roten Schuhe und das gepunktete Hemd, dass er mit breiten Hosenträgern weitgehend überdeckte. Schließlich blieb sein Blick in dem weiß geschminkten Gesicht des Clowns hängen. Um die Augen schien er etwas dunklere Farbe aufgetragen zu haben, denn sie schienen im Kopf zu verschwinden. Die Pupillen hingen wie schwarze Kohlen in den Augenhöhlen. Er hatte das Gefühl, als ob er in eine bodenlose Leere starren würde. Die rote Bemalung um seinen Mund, die sich bis zu den Ohren zog verlieh seinem Grinsen in dieser Dunkelheit schon fast etwas Unheimliches.
Trotzdem hörte er gebannt seinem Gegenüber zu und ein breites Grinsen breitete sich über seinem Gesicht aus. In freudiger Erwartung nahm Johnny einen kleinen Eimer Wasser entgegen und hätte ihn vor lauter Vorfreude fallen lassen. Sanft schob Chewie Johnny an den Schultern durch den Vorhang. Den Eimer am Henkel in der einen Hand, hob er die andere um das ihn blendende Scheinwerferlicht von seinen Augen fernzuhalten. Nach wenigen Sekunden hatte er sich allerdings daran gewöhnt und schaute nun leise lachend zu dem Clown an seiner Seite hinauf, der dem immer noch wartenden Tipsy das erwartete „LOS“ entgegen warf. Das war auch das Signal für Johnny, der unter der sanften Führung der Hand von Chewie langsam von hinten auf den zählenden Clown zu schlich. Gerade als er bei drei angekommen war goss Johnny den Eimer Wasser zielsicher in den Trichter, ließ ihn dann fallen und sprang mit einem Aufschrei einen Schritt zurück. Mit ausgestrecktem Zeigefinger lachte er dem scheinbar empörten Tipsy schadenfroh entgegen. Chewie war an Johnnys Seite in die Hocke gegangen und hatte ihm eine Hand um die Schulter gelegt. So lachten sie beide über diesen gelungenen Streich. Nach ein paar Sekunden stand Chewie wieder auf. Er nahm die rechte Hand von Johnny und führte sie in die Luft. Auf seiner linken hatte nun auch Tipsy, der sich bis eben beschwert hatte seine Hand ergriffen und tat es seinem Kollegen nach. Strahlend sah Johnny zwischen den beiden hin und her. Zu dritt verbeugten sie sich nun mehrmals vor dem jubelnden Publikum. Danach ließen sie Johnnys Hände wieder los und verschwanden zusammen mit ihm hinter dem Vorhang. „Das hast du toll gemacht, Kleiner!“, sagte Tipsy, während er ihm anerkennend auf die Schulter klopfte.
„Du wärst ein sehr guter Sidekick für mich, Johnny.“, sprach Chewie. Mit diesen Worten nahm er den begeistert drein blickenden Johnny wieder an seine Seite und führte ihn zurück zu seinen Eltern.
Den Rest der Zirkusnummern erlebte Johnny eher am Rande. Immer wieder spielte sich in seinen Gedanken das soeben erlebte wie ein Film ab. Er bekam daher gar nicht mit, dass sie das Zelt nach der Vorstellung verlassen hatten und schon wieder im Auto zurück nach Hause saßen.
Erst jetzt schien Johnny seine Sprache wieder gefunden zu haben:
„Habt ihr mich gesehen? Habt ihr gesehen, wie ich das Wasser in das Ding gekippt habe? Er hat mich gar nicht gesehen! Und gehört hat er mich auch nicht, ich war ganz leise! Das war so lustig! Sie haben gesagt, dass ich ein guter Clown wäre. Dad, ich weiß, als was ich an Halloween gehen möchte! Als Clown! Oh, und beinahe hätte ich das Wasser hinter dem Vorhang verschüttet… hab ich aber nicht…“
„Johnny! Jetzt hol doch erst mal Luft!“, unterbrach ihn seine Mutter, „Natürlich kannst du als Clown gehen.“
„Juhuuuuu!“, jubelte Johnny und beschrieb während der restlichen Fahrt genau, wie sein Kostüm und die dazugehörige Schminke aussehen sollte.
Zu Hause hatte Johnnys Vater kaum die Tür aufgeschlossen, als sich sein Sohn hektisch an ihm und dann durch die Tür vorbei drückte und in voller Montur in sein Zimmer rannte. Auf dem Weg dorthin schrie er schon von weitem nach seinem Teddy. Den darauffolgenden Geräuschen nach zu urteilen, spielte er den Auftritt jedes Zirkusmitgliedes auch nach. Besonders seine Lieblingsnummer, bei der er selbst eine Rolle hatte spielen dürfen wurde von ihm ausgiebig nacherzählt und –gespielt. Demzufolge war es kein Wunder, dass er abends übermüdet ins Bett sank. Natürlich träumte Johnny von dem erlebten Tag. Da waren Tipsy und Chewie, die ihm zujubelten und ein großes Publikum, das ausgelassen klatschte.
Doch da war noch etwas. Unter dem ganzen Trubel wurde es Johnny erst nicht richtig bewusst, aber als er sich mehr darauf konzentrierte bemerkte er unter der fröhlichen Musik ein kaltes Lachen, das immer lauter wurde. Irgendwann hatte es sogar die Musik überstimmt. Als es so laut wurde, als ob er Besitzer dieses Lachens genau neben Johnny stehen würde schreckte er aus dem Schlaf hoch. Er hatte seinen Teddy noch im Arm und drückte diesen fest an seine Brust, als er schwer atmend auf das Lachen hörte, das sich entfernen zu schien und schließlich ganz verebbte. Als Johnny nach ein paar Sekunden lauschen kein Geräusch mehr vernehmen konnte atmete er noch einmal tief durch und machte es sich wieder bequem. Er hatte schon die Augen geschlossen, als er einen seltsamen Druck an seinem Hinterkopf verspürte. Dieser ließ sich auch nicht durch Bewegungen seines Kopfes vertreiben. Genervt setzte Johnny sich wieder auf und schlug ein paar Mal auf das Kissen ein. Doch als er sich auf Seite legte war der Druck schon wieder da. Wenn das Problem nicht im Kissen lag musste es seinen Ursprung unter diesem haben. So dachte er, während er sich erneut aufsetzte und das Kissen mit einer Hand nach oben hob. Schemenhaft konnte Johnny erkennen was sich da auf seiner Matratze befand. Irgendetwas Rundes lag dort. Er nahm den Gegenstand in die Hand und knipste mit geübtem Griff seine Nachtischlampe an, die sein Zimmer in ein warmes Licht tauchte. Mit einem freudigen Aufschrei erkannte Johnny sofort was sich da unter seinem Kissen versteckt hatte: eine rote Clownsnase. Offenbar hatten ihn seine Eltern überraschen wollen und ihm diese heimlich unter das Kissen geschoben. Als sich Johnny zufrieden wieder zum Schlafen hinlegte hatte er in einer Hand seinen Teddy und in der anderen die rote Nase fest umklammert.
Am nächsten Morgen rannte er mit polternden Schritten in das Schlafzimmer seiner Eltern und hüpfte mit einem Satz auf das Bett. „Danke! Ihr seid die Besten!!“, schrie er und umarmte seine schlaftrunkenen Eltern abwechselnd. Seine Mutter fragte mit halboffenen Augen: „Danke Schatz, aber für was?“- „Na für die Nase!“, brüllte Johnny weiter und setzte sich diese auf. „Und es ist auch noch die gleiche, die Chewie hat!“, rief er begeistert. „Wer ist Chewie?“, brummte sein Vater und zog sich die Decke über die Ohren. Johnny sprang auf seinen Vater, riss ihm die Decke weg und flüsterte ihm mit tiefer Stimme ins Ohr: „Der Clown von gestern, Dad.“
Dann sprang er gekonnt von dem Bett herunter und ließ zwei verwundert dreinblickende Menschen zurück. „Wo hat er diese Nase her, Schatz? Hast du sie ihm geschenkt?“, fragte Johnnys Mutter, während sie sich aus dem Bett schälten. „Ich wollte dich gerade dasselbe fragen“, erwiderte ihr Mann verblüfft.
Als Johnny an diesem Abend ins Bett ging waren seine Gedanken immer noch ganz bei Chewie, dem Clown und seinen Worten. Auch in dieser Nacht träumte Johnny von dem Zirkus. Und wieder hörte er dieses seltsame unheimliche Lachen. Allerdings kam noch etwas hinzu. Er stand mit den Clowns Tipsy und Chewie in der Manege und verbeugte sich vor dem jubelnden Publikum. Gerade als sie sich nach vorne über gebeugt hatten, erlosch schlagartig das Scheinwerferlicht und es wurde totenstill. Johnny konnte spüren, dass ihn die beiden Clowns nicht mehr an der Hand hielten und erhob sich langsam aus seiner Pose. Johnny versuchte etwas in dem schwarzen Nichts zu sehen. Doch nicht einmal die Hand vor Augen war erkennbar. Als er in die Stille hineinhorchte war das Einzige, das er vernahm das Pochen seines Herzens und sein Atem. Gerade wollte er nach seinen Eltern rufen, als er vor sich plötzlich eine Bewegung wahrnahm. Irgendetwas war da vor ihm, das sich klar aus dem Schwarz der Dunkelheit abgrenzte. Angestrengt versuchte er das Etwas zu erkennen. Begleitet von Lachen wurde es immer größer, bis er schließlich erkannte, was sich da auf ihn zubewegte: Es war ein Gesicht. Das hämisch lachende Gesicht von Chewie dem Clown. Je näher es kam, desto größer wurde es und auch das Lachen wurde immer lauter. Johnny hielt sich die Ohren zu, starrte aber weiter wie gebannt auf das anschwellende Gesicht. Mit wachsender Angst beobachtete er das böse grinsende Gesicht, das sich seinem in unheimlicher Geschwindigkeit näherte. Noch bevor er seine Hände schützend vor sich halten konnte nahm Chewies Gesicht sein komplettes Gesichtsfeld ein und stürzte regelrecht auf ihn zu. Das Gesicht fuhr in ihn hinein. So kam es Johnny zumindest vor, als eine Art Beben seinen Körper durchfuhr. Als das Gesicht ihn scheinbar berührt hatte, war das Lachen so laut geworden, dass Johnny schweißgebadet aus dem Schlaf hochfuhr. Schwer atmend sah er an sich herunter und tastete sich ab, um sich selbst davon zu überzeugen, dass er wirklich im Hier und Jetzt war. In seinen Ohren hallte immer noch das Lachen nach und wenn er seine Augen schloss, konnte er das Gesicht von Chewie deutlich vor sich sehen. Während er sich mit der einen Hand den Schweiß von der Stirn rieb, schob er mit der anderen seine Decke von sich weg und stand auf. Ein unerträglicher Durst trieb ihn ins Badezimmer, wo er einen Becher mit kaltem Wasser fühlte, gierig trank und dabei beiläufig in den Spiegel blickte. Verwirrt rieb Johnny sich die Augen, denn was er sah schien ihm unmöglich. Erneut sah er mit zusammen gekniffenen Augen in den Spiegel, doch das scheinbare Trugbild blieb bestehen. Vielleicht war er auch einfach zu müde, doch er war sicher, dass sein blondes Haar eine rötliche Farbe angenommen hatte. Und auch seine Augen hatten sich verändert. Seine blauen Augen hatten um ihre Pupille einen braunen Kranz gebildet. Er war sich sicher dieses Farbenspiel noch nie gesehen zu haben. Die dunklen Schatten um seine Augen bemerkte Johnny gar nicht und auch seine blasse Gesichtsfarbe blieb unentdeckt. Mit einem langen Gähnen verließ Johnny schlussendlich das Bad. Er würde am nächsten Morgen seine Eltern nach den Veränderungen fragen. Wahrscheinlich hatte er sich nur geirrt. Johnny bekam kaum mit wie er sich wieder in sein Bett legte, die Decke bis zum Kinn hochzog und mit seinem Teddy im Arm augenblicklich einschlief.
Am nächsten Morgen hatte Johnny seine Entdeckungen der Nacht vergessen. Im Laufe des Tages erinnerte er sich wieder an die Nacht, doch da ihn niemand darauf angesprochen hatte, tat er es als Täuschung ab. Doch immer wenn Johnny irgendwo einen Spiegel sah, blickte er hinein und fand jedes Mal die farblichen Veränderungen vor. Und doch schien er der Einzige zu sein, dem es auffiel.
In der darauffolgenden Nacht wiederholte sich der Traum von dem Vortag und riss Johnny wieder unsanft aus dem Schlaf. Erneut drang ihn der Durst in das Badezimmer. Automatisch sah er in den Spiegel. Inzwischen hatte er sich an seinen neuen Anblick gewöhnt, doch die Verwandlung war fortgeschritten. Seine Haare hatten ihre blonde Färbung abgelegt und waren in ein fuchsrot übergegangen. Auch seine Iris wies kaum noch blaue Farbe auf. Johnny erkannte sich kaum wieder und während ihm langsam Panik übermannte versuchte er sich in Erinnerung zu rufen, dass er sich dieses neue Aussehen nur einbildete. Schließlich war seinen Eltern nichts aufgefallen. Mit einem tiefen Seufzer beruhigte er sich mit der Vorstellung, dass seine Eltern am nächsten Morgen unmöglich übersehen konnten, was aus ihrem Sohn geworden war. Seine Gedanken kreisten um den nächsten Tag während er sich im Spiegel betrachtete. Schließlich wandte er sich müde ab und legte sich mit der Überzeugung ins Bett, dass am nächsten Morgen alles wieder so sein würde wie früher.
Doch ein kaltes und ihm wohlbekanntes Lachen rissen ihn nur wenige Minuten später wieder aus dem Schlaf. Durch die sich wiederholenden Träume hatte er sich bereits an dieses Geräusch gewöhnt, was ihn deshalb nicht auffahren ließ, sondern ihn dazu bewog sich langsam aus seiner liegenden Position zu erheben und die halboffenen Augen im dunklen Zimmer schweifen zu lassen. Müde zuckte Johnny mit den Schultern und ließ sich wieder ins Kissen fallen.
Doch da ertönte das Lachen erneut, das er bis vor wenigen Sekunden noch für ein Echo aus einem Traum gehalten hatte. Auf einmal war Johnny hellwach und wagte es nicht sich zu bewegen. Was Johnny dazu bewog auf einmal so aufmerksam zu sein, war die Tatsache, dass das Lachen eindeutig aus seinem Zimmer gekommen war. Irgendjemand war hier. Johnny wagte es aber nicht sich zu bewegen sondern lauschte weiterhin angestrengt während seine Augen jeden Schatten in seinem Zimmer beobachteten. Sein Atem ging stockend und Johnny spürte wie ihm sein Herz bis zum Hals schlug. Automatisch presste er seinen Teddybär an seine Brust um wenigstens ein kleines Gefühl von Sicherheit zu erhalten. Langsam öffnete er seinen Mund, bereit sofort nach seinen Eltern zu rufen, als Johnny wieder ein Geräusch wahrnahm. Diesmal ganz leise und kaum zu verstehen. Dieses wurde jedoch immer lauter und aus einem nun deutlichen Kichern wurde ein Lachen. Doch wie schon in seinen Träumen war das Lachen nicht fröhlich. Es war kalt und böse. Jetzt, wo das Geräusch direkt aus seinem Zimmer zu kommen schien rann Johnny ein kalter Schauer über den Rücken und der geplante Ruf nach seiner Mutter blieb in seinem Hals stecken. Langsam richtete er sich daher auf um sich noch mehr auf die Suche nach der Quelle des Lachens machen zu können. Er hatte seinen Teddy neben sich gelegt und sah sich um. „Alles gut, Teddy. Hier ist nichts!“, flüsterte Johnny und wandte sich in sitzender Position an seinen Teddy, um ihn wieder in die Arme nehmen zu können, als er in seinen Augenwinkeln wieder etwas wahrnahm. Erneut blieb ihm der Atem stehen und wie eingefroren saß er nur da. Unter seinen ausgestreckten Fingern spürte er das weiche Fell von seinem Teddybär, wagte aber nicht die Bewegung zu vollenden und ihn zu fassen. Johnny spürte wie seine Hände auf einmal zu zittern anfingen, als er erneut das dunkle Kichern wahrnahm. Fest fokussierten seine Augen die von seinem Bär, der ermutigend zu ihm aufzuschauen schien. Johnny drehte sich immer noch zitternd und behutsam in Richtung des vernommenen Geräusches. Wieder vollführte er diese Bewegung lediglich mit dem Oberkörper. Am Ende seines Bettes blieben seine wandernden Augen stehen und stiegen von dort langsam aufwärts. Sein Blick haftete an einer dunklen Gestalt, die sich vor seinem Bett aufgebaut hatte. Mit jedem Zentimeter, mit dem Johnnys Augen die Gestalt erklommen, wurden diese größer. Schließlich ruhten sie im Gesicht der Person, das Johnny sofort erkannte. „Ch… Chew… Chewie?“, stotterte Johnny leise und schluckte mehrmals. Er konnte nur schemenhaft den großen Clown in der Dunkelheit ausmachen, doch die charakteristische Kleidung, die wirren Haare und das Lachen waren eindeutig. Doch vor allem die Augen, die ihm wie schwarze Löcher entgegen starrten zogen ihn wie magisch in seinen Bann. Ein leichtes Glitzern war in diesen auszumachen, was ihm nur noch mehr Schauer über den Rücken jagte. Automatisch hatte sich Johnny nach hinten, weg von Chewie gezogen, und tastete blind nach seinem Teddybär.
„Hallo, Kleiner!“, grinste Chewie und lehnte sich langsam nach vorne. Seine Augen zogen Johnny in ihren Bann und so sah er kaum die spitzen Zähne, die sich wie kleine Messer in seinem Mund aneinander reihten.
„Was machst du hier?“, fragte Johnny während er seinen Teddy endlich zu fassen bekam und ihn an sich drückte. „Als ich zu dir sagte, dass du ein hervorragender Sidekick wärst, habe ich nicht gelogen. Daher habe ich beschlossen“, und mit diesen Worten hob er seine Hand und fuhr andeutend über das Gesicht des erstarrten Johnny, „dich zu genau diesem zu machen.“ – „Was?“, fragte Johnny, obwohl er die Antwort innerlich schon längst wusste. Schlagartig war ihm klar geworden, dass die ganzen optischen Veränderungen, die er an sich beobachtet hatte keine Einbildung gewesen waren. „Du warst das!?“, flüsterte er daher hinterher und sah Chewie eingeschüchtert an. „Wieder wandte sich Chewie zu Johnny hinunter, grinste so breit er konnte und flüsterte mit tiefer Stimme zurück „Ja!“.
„Aber…“, wollte Johnny sich gerade wiedersetzen, als der immer noch zu ihm gelehnte Chewie auf einmal seine Hand nach vorne schnellen ließ und Johnny den Teddybär entriss. „Teddy!“, schrie Johnny und streckte seine Arme nach ihm aus. Doch Chewie hatte sich wieder vor seinem Bett aufgebaut und drehte den kleinen Bär in seiner Hand.
„Mein Sidekick kann solchen Kinderkram nicht gebrauchen“, stellte Chewie abwertend fest und hob den Teddy langsam vor sein Gesicht. Mit einem breiten Grinsen sah er an dem Stofftier vorbei zu Johnny, der immer noch schockiert zwischen ihm und seinem kleinen Freund hin und her sah. Und als ob der Verlust seines hochgeliebten Freundes nicht schon schlimm genug wäre, sah Johnny auf einmal etwas, das ihn völlig an seinem Verstand zweifeln ließ. Die Füße seines braunen Bärs bewegten sich. Doch nicht nur diese: Auch die Pfoten und der kleine Kopf wackelten hin und her. Johnny war sich sicher, dass Chewie diese Bewegungen unmöglich mit seinen Fingern nachahmen konnte, doch wie sollte dies sonst möglich sein? Die Bewegungen waren zudem lebhaft und flüssig und nicht abgehackt und mechanisch. „Teddy?“, fragte Johnny mit hoher Stimme und ihm stiegen die Tränen in die Augen. Als ob der kleine Bär ihn gehört hatte vernahm Johnny auf einmal ein Brummen, das tief aus dem Stofftier kam. Auch wenn Johnny es zum ersten Mal überhaupt hörte, so konnte er klar erkennen, dass dieses panische Geräusch von Teddy kam. Wieder ertönte der Laut, doch diesmal lauter und lang gezogener. Wie Hilfeschreie brüllte der kleine Teddybär und versuchte sich aus den Fingern des Clowns zu winden. Johnny rannen die Tränen die Wangen hinunter, doch noch immer wagte er nicht sich zu bewegen. “Siehst du wozu ich fähig bin?“, erkundigte sich Chewie breit grinsend bei dem kleinen Johnny und drückte dabei zu, sodass der kleine Bär noch lauter aufschrie. „Bitte! Hör auf!“, schluchzte Johnny und streckte langsam seinen Arm nach Teddy aus. „Du tust ihm weh!“- „Meinst du?“, fragte Chewie mit gespielter Unschuld und beäugte den Bär argwöhnisch. „Dann sollten wir ihn wohl nicht länger leiden lassen, denkst du nicht auch?“, stellte er bestimmt fest. Noch während Johnny langsam begriff was er damit gemeint hatte beobachtete er mit wachsendem Entsetzen wie der Clown das sich windende Stofftier langsam zu seinem Mund führte. Sofort sah sich der schreiende Bär einer Reihe von spitzen langen Zähnen gegenüber, die seinen Kopf in der nächsten Sekunde zwischen sich nahmen und langsam zudrückten. „Neeiin!“, brüllte Johnny und schaffte es endlich sich aufzurappeln. Doch es war zu spät. Nachdem die Zähne zugebissen hatten war hinter den sich schließenden Lippen das qualvolle Brüllen des Stofftieres gedämpft und schließlich verstummt worden. Begleitet von einem lauten Knacken biss Chewie zu und führte seine Hand entgegen der Richtung, in die sich sein Kopf bewegte. Mit einem schmatzenden Geräusch löste sich der Rumpf des Teddybärs unter einem Schwall Blut von seinem abgebissenen Kopf und hinterließ eine Spur der Verwüstung auf dem Gesicht des Clowns. Große Blutstropfen färbten die Decke von Johnny in ein dunkles Kunstwerk des Todes. Um das Trauma in Johnny nur noch weiter zu verstärken fing Chewie an auf dem abgetrennten Kopf von Teddy herum zu kauen, als ob es sich um einen leckeren Keks handeln würde. Schmatzend öffnete er leicht die Lippen und ein Schwall Blut ergoss sich über seine Lippen.
„Du Monster!!“, rief Johnny und vergaß augenblicklich alle Vorsicht. Mit wutverzerrtem Gesicht sprang er auf um auf den Clown einschlagen zu können. Dieser warf die Überreste von Teddy achtlos in die Ecke und packte Johnny in seinem Sprung mit beiden Händen unter den Armen. Mit einem Aufschrei der Verwunderung wurde Johnny herumgewirbelt und mit einem harten Aufprall landete er auf dem Boden, auf den ihn Chewie unsanft gedrückt hielt. „Halt die Luft an, kleiner Mann!“, flüsterte Chewie scharf. Johnny wand sich unter dem harten Griff des Clowns, doch dieser hielt ihn mühelos fest. Chewie beachtete die Schreie des kleinen Jungen nicht weiter sondern betrachtete ihn andachtsvoll. „Ich habe bei dir wirklich gute Arbeit geleistet“, lobte er sich selbst. „Doch eine Kleinigkeit fehlt noch.“, sprach er und platzierte seine Beine auf den ausschlagenden Armen von Johnny. Sein Körper schien über seinem zu schweben. Mit einer Hand packte er schlagartig seinen Hals und Johnny verstummte sofort. Er wagte es nicht sich zu bewegen, da er die scharfen spitzen Fingernägel spüren konnte, die sich bedrohlich in sein Fleisch bohrten. Mit der anderen Hand führte Chewie langsam seinen Zeigefinger zu dem Gesicht des Jungen. Mit schreckgeweiteten Augen sah Johnny den spitzen Fingernagel immer näher auf sich zukommen bis er schließlich sein gesamtes Blickfeld einzunehmen schien. Noch immer unfähig sich zu bewegen beobachtete Johnny wie der Finger sich langsam senkte und knapp neben seinem rechten Ohr stehen blieb. Aus den Augenwinkeln konnte er sehen, wie sich der Nagel senkrecht nach unten wandte. Auf einmal durchfuhr ihn ein scharfer Schmerz. „Stillhalten kleiner Mann!“, flüsterte Chewie und lenkte seine vollste Konzentration auf sein Tun. Unter höllischen Schmerzen, die Johnny augenblicklich die Tränen in die Augen trieben spürte er wie sich dieser in Richtung seines Mundes fortführte. Die Tränen, die ihm die Wangen herunter liefen flossen durch die Wunden und mischten sich mit dem Blut. Das Brennen, das die salzige Flüssigkeit hierbei auslöste war fast schon angenehm im Gegenzug zu den höllischen Schmerzen, die ihm Chewie beibrachte. Auf einmal hörte der akute Schmerz auf und Johnny spürte nur noch das Pochen in seiner rechten Wange und das Blut, das langsam seinen Hals hinunter rann. Doch als er sah, dass Chewie lediglich eine Pause eingelegt hatte um seinen Finger an die Seite von Johnnys linkem Ohr zu führen, verließ weiterer Schwall Tränen die Augen von dem kleinen Jungen. Mit bebenden Lippen schluchzte Johnny auf, als der Schmerz seine andere Wange durchzuckte. Er presste die Augen so fest zusammen wie er konnte. Johnny hatte noch immer die Augen geschlossen, als der Schmerz endlich aufhörte und er nun auf beiden Seiten das starke Pochen spürte. Kurz darauf verschwand auch der Druck auf seinen Armen. „Steh auf... Partner!“, hörte Johnny die befehlende Stimme über ihm. Langsam öffnete er die Augen, sah aber nur einen verschwommenen Schatten. Vorsichtig wischte er sich mit dem Handrücken die Tränen aus den Augen. Dabei berührte er aus Versehen seine Wunden und schrie schmerzvoll auf. Als er sich langsam aufsetzte wurde das Pochen so stark, dass Johnny schwindlig wurde und er sich wieder zurück sinken ließ. Mit einem genervten Seufzer beugte sich Chewie zu ihm hinunter und packte ihn erneut unter den Armen und hob ihn ruckartig auf seine Füße. Als sich sein Griff löste wankte Johnny hin und her, hielt sich aber an seinem Bett fest. Neue Tränen verließen seine Augen und mit schmerzerfülltem Gesicht sah er Chewie anklagend an. Doch dieser schritt etwas zurück und grinste ihn nur an. Dann verschmolz mit dem Schatten einer Ecke und verschwand.
Johnny stand verwaist da, sah sich um und berührte mit seinen zitternden Fingern ungläubig seine schmerzenden Wangen. Dann sah er sich auf dem Boden um und betrachtete mit zerrissenem Herz die Überreste seines kleinen Plüschfreundes. Plötzlich stürzten die vergangenen Ereignisse wie eine Lawine auf ihn ein. Johnny brach sofort zusammen und bildete ein schluchzendes Bündel auf dem Boden vor seinem Bett. Er vergrub sein Gesicht in seinen Händen und weinte bitterlich. Zwischen seinen Fingern rann Blut gemischt mit Tränen hinunter und tropfte auf seinen Schlafanzug und den Teppich. Er konnte nicht glauben was soeben passiert war. Er verspürte einen unfassbaren Hass auf Chewie und hätte am liebsten die Zeit zurück gedreht. Und doch hielt ihn irgendetwas davon ab sich aufzurappeln, zu seinen Eltern zu rennen und ihnen alles zu erzählen. Er war nun allein…
Johnny schlug die Augen auf. Für einen kurzen Moment wusste er nicht wo er war. Er lag auf Boden vor seinem Bett. Langsam richtete er sich auf, streckte sich und ging seinen gewohnten Gang ins Badezimmer. Als er vor dem Spiegel stand und seine Hände wusch blickte er voller Verwunderung auf seine blutverschmierten Hände. Während er sie mit viel Seife und Wasser säuberte sah er beiläufig in den Spiegel. Auch sein Gesicht wies diese seltsamen Spuren auf. Nachdem er auch dieses auch gereinigt hatte, sah er erneut in den Spiegel. Alles war wieder so wie es sein sollte: Sein roten Haare lagen ihm wirr auf dem Kopf und verdeckten so seine braunen Augen, die ihm mit dunklen Ringen, aber doch aufmerksam entgegen blickten. Seine blasse, fast weißliche, Haut war endlich frei von den roten Flecken, die sich mit einer salzig schmeckenden Substanz vermischt hatten. Beim Abwaschen hatte er es geschmeckt, als ihm etwas auf die Lippen geflossen war. Doch sein größtes Erkennungsmerkmal strahlte ihm nun in seiner vollen Pracht entgegen: Sein breites Lächeln, das sich beidseits von seinen Ohren bis zu den Mundwinkeln zog und ihm in einem satten Rot entgegen strahlte. Als er sich so ansah konnte er sich eines Lächelns nicht erwehren und durch die optische Hilfe wurde sein Lächeln nur noch breiter und in seinen Augen strahlender. Genau so wollte er heute mit seinen Freunden um die Häuser ziehen. Er war überglücklich, dass er nie die Schwierigkeit hatte sich überlegen zu müssen, als was er sich verkleiden sollte. Warum sollte der Sidekick eines professionellen Clowns dies auch tun? Motiviert schritt er in sein Zimmer zurück, um in seinem Schrank die passenden Klamotten heraus zu suchen. Als er es betrat fiel ihm sofort etwas ins Auge, das auf seinem Bett lag. Dort lagen fein säuberlich genau dieselben Klamotten, die auch Chewie der Clown immer trug. Mit einem breiten Grinsen strich er liebevoll über diese. Auch die rote Nase war dabei. Aufgeregt schlüpfte Johnny in die Klamotten, die ihm natürlich wie angegossen saßen. Stolz schritt er die Treppe hinunter zu seinen Eltern, die ihm staunend entgegen sahen. „Wow Schatz, du siehst toll aus!“, rief ihm seine Mutter entgegen während sein Vater sich ihm näherte und sich zu ihm hinunter beugte: „Das Make-Up ist der Wahnsinn!“. Johnny sah zwischen beiden lächelnd hin und her bevor er Richtung Haustür aufbrach. Er traf sich schon früh mit seinen Freunden, damit sie einen Schlachtplan ausarbeiten konnten, der ihnen einen erfolgreichen Abend bescheren sollte. Seine Eltern riefen ihm Glückwünsche hinterher und Johnny verließ das Haus. Als er sich auf den Weg zum Treffpunkt machte entdeckte er am Ende der Straße eine Gestalt, die eines Schattens gleich dort stand und zu warten schien. Langsam hob Johnny seinen Arm zum Gruß. Ihm war klar wer da weit vorne stand. Und die sich ebenfalls hebende Hand bewies ihm, dass er Recht behalten sollte. Auch wenn er es auf diese Distanz nicht hören konnte so sprach Johnny trotzdem aus, was er schon den ganzen Morgen gedacht hatte: „Danke Chewie!“
"Where the spirit does not work with the hand there is no art"
- Leonardo da Vinci